Mit dem Auftreten von Internet, E-Mail-Kommunikation und Social Media werden auch Rechtsprobleme des sog. digitalen Nachlasses diskutiert. Dabei geht es insbesondere um die Frage, welche Rechte die Erben am Benutzer-Account der verstorbenen Person haben. Rechtsprechung und juristische Literatur sind dazu nicht einheitlich. In einem jüngsten Urteil hat das Kammergericht Berlin (KG) den Anspruch auf Zugang von Erben auf Zugang zum Facebook-Account einer verstorbenen Minderjährigen verneint.
Zum Sachverhalt:
Die Tochter der Klägerin verstarb mit 15 Jahren unter ungeklärten Umständen (wurde von U-Bahn erfasst), Suizid war nicht auszuschließen. Die Tochter hatte einen Facebook-Account. Nach ihrem Tod wurde der Facebook-Account durch nicht bekannten Nutzer in den sog. Gedenkzustand versetzt (der Zugriff auf den Account ist dann nicht mehr möglich). Die Tochter hatte der Klägerin zu Lebzeiten ihr Passwort mitgeteilt (entgegen den Facebook-Nutzungsbedingungen). Die Klägerin war die gesetzliche Vertreterin zu Lebzeiten der Tochter. Die Klägerin wurde gesetzliche Miterbin über den Nachlass der Tochter. Sie beantragte, dass die Fa. Facebook ihr den Zugang zum Benutzungskonto und den Kommunikationsinhalten ihrer Tochter gewährte.
Gericht: kein Anspruch der Erben auf Zugang zum Account und zu Kommunikationsinhalten
Das Kammergericht (KG) Berlin hat mit Urt. v. 31.05.2017, Az.: 21 U 9/16, den Anspruch der Mutter verneint.
Begründung: Facebook als Dienstanbieter i.S. d. Telekommunikationsgesetzes (TKG) kann sich auf das Verbot der Weitergabe von Inhalten u. Umständen der Telekommunikation an „andere“ gemäß § 88 Abs. 3 TKG berufen. Der Erbe ist „anderer“ i.S. dieser Vorschrift (trotz erbrechtlicher Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 BGB).
Die Ausnahmen vom o.g. Verbot des § 88 Abs. 3 TKG greifen nach Ansicht des Gerichts nicht ein. Zwar ist nach § 88 Abs. 3 TKG zulässig die Weitergabe, wenn dies auf einer „anderen gesetzlichen Vorschrift“ beruht und diese Vorschrift „sich dabei ausdrücklich auf Telekommunikationsvorgänge bezieht“ (sog. kleines Zitiergebot). Eine solche „andere Vorschrift“ liege aber nicht vor, auch nicht in Form des § 1922 Abs. 1 Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), welche lautet „Mit dem Tode einer Person geht deren Vermögen als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen über.“ Denn § 1922 BGB bezieht sich nicht auf Telekommunikationsvorgänge und erfüllt daher nicht das kleine Zitiergebot. Auch eine Einwilligung der Telekommunikationspartner der verstorbenen Facebook-Account-Inhaberin zur Weitergabe der Kommunikationsinhalt liegt nicht vor.
Anmerkung:
Das Urteil d. KG (35 Seiten lang!) ist noch nicht rechtskräftig (die Revision ist anhängig beim BGH, Az. III ZR 183/17). Das Urteil ist problematisch, denn die vom KG behauptete Schutzbedürftigkeit der Kommunikationspartner des verstorbenen Account-Inhabers ist fraglich, insb. bei geschäftlichem Inhalt. Bei privatem Inhalt besteht jedenfalls überwiegendes Interesse der Erben am Zugang und den Kommunikationsinhalten, wenn es darum geht, Hintergründe zum Tod des ehemaligen Account-Inhabers aufzuklären. Außerdem hat das KG hat die Frage der Vererblichkeit des Accounts zu Unrecht offen gelassen. Bei Bejahung der Frage bestünde nämlich ein Anspruch auf Herausgabe aller Daten (unabhängig vom Inhalt).